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Mehr als Steno und Schreibmaschine

der Bucheinband zeigt eine lächende Frau in weißer Bluse vor einer mechanischen Schreibmaschine

Der Bürgersaal im Alten Rathaus war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Annegret Braun aus ihrem Buch Die Sekretärin. Frauenkarriere und Lebensträume in den 1950er Jahren las. Die aufmerksame Zuhörerschaft wurde mit einer klug zusammengestellten Mischung aus humorvollen und nachdenklichen Passagen belohnt, die den Alltag von  Sekretärinnen in den Mittelpunkt rückten.

Meisterhaft verknüpfte die Autorin die leichten, oft amüsanten Seiten des Berufs mit den ernsten Kapiteln der Geschichte – und spannte dabei den Bogen von der Zeit, in der Frauen Ende des 19. Jahrhunderts kaum Zugang zu einer Berufsausbildung hatten, bis hin zum Wandel des Berufsbilds im 20. Jahrhundert, insbesondere in den 1950er Jahren.

Besonders eindrucksvoll: Die Kapitel zur Rolle der Sekretärin im Dritten Reich wurden zwar nicht vorgelesen, doch die Andeutungen ließen erahnen, dass hier ein tieferer Einblick in ein dunkles Kapitel der Geschichte wartet – und machten neugierig auf mehr.

Brauns Buch stützt sich auf unveröffentlichte Tagebücher aus dem Deutschen Tagebucharchiv. Diese verleihen den Stimmen der Frauen Authentizität und Unmittelbarkeit. Mit lebendigen Schilderungen und prägnanten Zitaten machte Braun die gesellschaftlichen Umbrüche jener Zeit greifbar: Für viele Frauen war der Beruf der Sekretärin nicht nur eine berufliche Chance, sondern auch der Schlüssel zu einem eigenständigen Leben – wie das der Zugsekretärin Doris Kraus.

Annegret Braun fesselte das Publikum mit fundierter Recherche und erzählerischem Talent. Die Sekretärin ist weit mehr als eine Berufsgeschichte – es ist ein einzigartiger Blick auf die Emanzipation von Frauen in einer Zeit des Wandels.

Annegret Braun
Die Sekretärin
Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main 2024
ISBN 978-3-96251-173-9