Alle Artikel mit dem Schlagwort: Buch

Frühling 1940

Im Frühling 1940 standen sich Soldaten erneut feindselig und erbittert auf den einstigen Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs gegenüber. Sie kämpften nicht nur um ihr eigenes Überleben, sondern auch mit der schmerzlichen Vergangenheit. Während die Soldaten traumatische Erlebnisse und die Trauer um dort gefallene Verwandte durchlebten, wurden bei den Zivilisten dramatische Erinnerungen an die deutschen Gräueltaten wach. Auf Grundlage teils unveröffentlichter Berichte, Briefe und Tagebucheinträge – darunter rund 30 aus dem DTA-Bestand – erzählt der renommierte Historiker Raffael Scheck (Colby College, Maine, USA) eindrucksvoll von den Monaten Mai und Juni 1940 aus der Sicht gewöhnlicher Soldaten und Zivilisten beider Seiten der Front. Besonders wertvoll für ihn waren die Briefe eines Fahrradsoldaten, eines Feldwebels, eines Ehepaars, das sich zwischen Front und Heimat schrieb, vieler Soldaten, eines Schulmädchens und eines anonymen Infanteristen.

Die kurze Stunde der Frauen

Das Jahr 1945 ist ein außerordentlicher Wendepunkt in der deutschen Geschichte. Frauen wurden für ihre Stärke und ihre Existenzerhaltung in der Nachkriegszeit, ihre Aufbauarbeit als sogenannte Trümmerfrauen in der öffentlichen Darstellung sehr wertgeschätzt. Das Jahr wurde vielfach sogar als „Stunde der Frauen“ bezeichnet. Wie erlebten Frauen jedoch selbst die damalige Zeit? Welche Hoffnungen hegten sie? Wie erfuhren sie die belastenden Lebensumstände? Und was dachten sie, als die neu empfundene Freiheit bald wieder alten Machtverhältnissen weichen musste? Miriam Gebhardt beschreibt das Lebensgefühl deutscher Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg persönlich und mit Empathie. Dazu hat sie Selbstzeugnisse von Frauen ausgewertet, darunter rund zehn Tagebücher, Briefe und Erinnerungen aus dem DTA-Bestand. Sie zeigt, warum sich die meisten Frauen nicht aus alten Rollenmustern befreien konnten, wie es einigen gelang, neue Wege einzuschlagen – und wie diese Erfahrungen unser Leben bis heute beeinflussen. (Leseprobe)

Der Kaiser, Hitler und das jüdische Kaufhaus

Von der Entstehung der Warenhäuser im späten 19. Jahrhundert bis zur finanziell schwierigen Zeit am Ende des Ersten Weltkriegs wurde die Geschichte des großflächigen Einzelhandels in Deutschland von einer Pioniergeneration deutsch-jüdischer Unternehmer geprägt. Kaufhäuser wie Tietz, Knopf, Wertheim und Schocken waren erfolgreich, wurden in den 1930er Jahren jedoch von den Nationalsozialisten um ihre Existenz gebracht. Der englische Historiker John F. Mueller (University of Cambridge) zeigt anhand einer Reihe von Archivquellen, darunter auch aus dem DTA-Bestand sowie aus Privatsammlungen, dass jüdische Kaufhäuser entgegen der nationalsozialistischen Propaganda anständige Arbeitgeber, bei den Kunden beliebt und gut in die Wirtschaft integriert waren. Diese Kaufhäuser waren laut John F. Mueller ein so fester Bestandteil der deutschen Gesellschaft, dass die Nationalsozialisten ihr Vorhaben, sie abzuschaffen, teilweise aufgeben mussten. Aus dem DTA-Bestand wählte der Historiker fünf Quellen aus, darunter die Tagebücher von Carl Emil Werner (DTA 2138), Sohn des Inhabers des Freiburger Kaufhauses Werner-Blust.

Aufbruch des Gewissens

„Was bedeutet es, nach Hitler Deutscher zu sein?“ Dieser Frage geht der am Birkbeck College in London lehrende deutsch-britische Historiker Frank Trentmann in seinem 1000-seitigen, in Deutschland, Großbritannien und den USA neu erschienenen Buch Aufbruch des Gewissens nach. Vom Tagebuch zum Zeitzeugnis Mehrmals hat der Historiker dafür das Deutsche Tagebucharchiv besucht, denn er untersucht für seine großangelegte historische Forschung nicht nur Flugblätter, Gesetztestexte, Umfragen, Predigten, Theaterstücke, Filme und vieles mehr, sondern auch Tagebücher. 16 Dokumente aus dem DTA-Bestand fließen in seine Untersuchung ein. Darunter sind zum Beispiel die Briefe an einen vermissten Sohn des Waiblinger Arztes Hugo Manz (DTA 2176), dessen Sohn 1943 in Russland als Jagdflieger abgeschossen wurde und dessen weiteres Schicksal unbekannt blieb. Um mit der Ungewissheit umgehen zu können und das Kriegsgeschehen nachzuvollziehen, schrieb der Vater bis 1971 Briefe an den vermissten Sohn. Auch Tagebücher aus einem Forschungsprojekt der Universität Potsdam, in denen DDR-Bürgerinnen ihre Erfahrung mit der Wendezeit festhalten sind in das Buch einbezogen worden (DTA 1533). Stalingrad als moralischer Wendepunkt: Die Neuausrichtung der deutschen Moral Frank Trentmann setzt den moralischen …

das Bild auf dem Buchdeckel zeigt eine Frau, die einen Brief an sich drückt

Feldpost

Die Bestsellerautorin Mechtild Borrmann (Trümmerkind, Der Geiger) las eine Woche lang Alltagsschilderungen von Privatpersonen zum Leben in Kassel von 1933 bis 1950 … . Für ein neues Romanprojekt wollte sie mit Hilfe der Stimmungen in diesen Texten dem Ton der Zeit und des Ortes näherkommen. Nun liegt ihr neues Buch Feldpost in den Buchhandlungen aus neben der ungekürzte Lesung des Textes als Hörbuch.

Eine Militärgeschichte

Sönke Neitzel, Lehrstuhlinhaber für Militärgeschichte / Kulturgeschichte der Gewalt, Historisches Institut der Universität Potsdam, geht in seinem Buch Alltagsrealität, Wertvorstellungen und Motivation in der soldatischen Lebenswelt auf den Grund. Er beleuchtet Kontinuitäten und Unterschiede in der Innensicht des Militärs vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik. Für seine Forschung recherchierte er auch im DTA und bezog verschiedene Dokumente ein.

Gefühlserbschaften

Die Historikerin Miriam Gebhardt geht nach dem Tod ihres Vaters auf Spurensuche: wie wurde ihre eigene Generation, die sogenannten Babyboomer, geboren in den 1950er und 1960er Jahren durch die Nachkriegsgeneration, ihre Eltern, geprägt? Sie untersucht autobiografische Zeitzeugnisse – darunter etliche aus dem DTA-Fundus – und ihrem privaten Umfeld. Ich werde in diesem Buch deutsche Geschichte als Familiengeschichte erzählen. Es wird dabei vor allem um Gefühlserbschaften gehen, schreibt sie in ihrer Einleitung. Sie widmet sich den Fragen Wie wurden meine Eltern, wie sie sind? Und wie haben ihre Erfahrungen mein Leben geprägt? Gerade bei den privaten Themen, bei den Vorstellungen von Ehe, Familie, Erziehung, Geschlechterrollen, Sexualität, Arbeit und Schmerz findet sie überraschende Kontinuitäten.

Kriegstagebücher im Ersten Weltkrieg

Die Linguistin Marie Czarnikow leistet mit ihrem Buch eine akribische Analyse der Gattung Kriegstagebuch im Ersten Weltkrieg wie auch ihren vielfältigen Formen, ihrer Funktion, Wirkung und ihrer Schreibenden (beiden Geschlechts, verschiedenen Alters und Aufenthaltsortes: Front und Heimat werden gleichermaßen als Teilnahme am Krieg begriffen). Dabei nutzt sie Texte von 28 Tagebuchschreibenden aus dem DTA-Bestand. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wird Tagebuchschreiben ein Massenphänomen: Soldaten füllen kleine Hefte, die leicht mitgeführt werden können, als Kriegstagebuch. Schüler und Schülerinnen führen mit Zeitungsausschnitten versehene Kriegstagebücher von der „Heimatfront“; es gibt vorgegebene Kriegskalender und Durchschreibebücher. Marie Czarnikows grundlegende These ist, dass das Tagebuch den Krieg überhaupt erst erfahrbar und handhabbar macht und dass im Tagebuch das Erleben in Schreiben, Sammeln und Zeichnen übersetzt wird.

Sommer 1945 – dicht und vielfältig

Die Redakteure Hauke Goos und Alexander Smoltczyk stellen in dem von ihnen herausgegebenen Buch Zeitzeugengespräche mit prominenten Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und öffentlichem Leben zum ersten Sommer nach Kriegsende Tagebuchaufzeichnungen unbekannter Menschen aus dem DTA-Bestand gegenüber. Es entsteht ein intensives multiperspektivisches Bild dieses „Sommer, wie seitdem kein anderer“, wie ihn Martin Walser bezeichnet.

Aus der Innensicht

Der Autor Daniel Führer entwickelt in seinem Buch ein facettenreiches Kaleidoskop der spannungsreichen Periode zwischen Erstem Weltkrieg und nationalsozialistischem Deutschland. Viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens werden anhand von Tagebucheinträgen analysiert, so Gewalt im Krieg, Putsche, Arbeits- und Freizeitleben, Geschlechterrollen, Intimität oder Abgründe in Paarbeziehungen und Familie. Vier der sechs dafür in den Blick genommenen Tagebücher befinden sich in der DTA-Sammlung.

Broken Lives

Für sein Buch „Broken Lives. How ordinary Germans experienced the Twentieth Century“ forschte der deutsch-amerikanische Historiker Konrad Jarausch, der in Berlin und Chapel Hill (North Carolina) lebt und lehrt, bereits 2015 im DTA. Ausschließlich Lebenserinnerungen von in der Zeit der Weimarer Republik Geborenen waren es, die ihn für seine „kollektive Biographie “ der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts interessierten. Als Resultat seiner DTA-Recherche entschied er sich für zwölf Autoren aus dem DTA-Bestand, deren „gebrochene oder zerrissene Leben“ er in sein Buch einfließen ließ.  

Selbstreflexionen und Weltdeutungen

Die Historikerin Hanne Lessau widmet dem Deutschen Tagebucharchiv längere Passagen in dem 2015 im Wallstein-Verlag erschienenen Sammelband mit dem etwas sperrigen Titel „Selbstreflexionen und Weltdeutungen — Tagebücher in der Geschichte und der Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts„. Nicht nur die Herausgeber Janosch Steuwer (Universität Bochum) und Rüdiger Graf (Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam) wurden bei häufigen Besuchen im DTA fündig. Zahlreiche weitere Aufsätze lassen die Bedeutung des Tagebuchs als zeithistorische Quelle exemplarisch deutlich werden.