Im Januar 1938 begegnen sich die Bibliothekarin Marianne (27) und der Jurist Walter (31) im Hotel Adlon in Berlin. Beim Tanztee der sogenannten Dienstags-Gesellschaft, ein Club zur Eheanbahnung zwischen Katholiken in der Diaspora, lernen sie sich kennen.
Im Herbst 1940 schreibt Marianne in ihr Kalendertagebuch
Walterchen sagte neulich: „Was meinst Du, sollten wir es wagen?“ und ich sagte zwar ein bißchen langsam „ja“.
Im Sommer 1941 findet die Hochzeitsfeier im Civilcasino Koblenz statt.
Walter ist im Osten stationiert und schreibt seinen Weihnachtsbrief in Ostrowo (Ostrów Wielkopolski, PL)
Ostrowo, den 24.12.1941
Mein liebes Mädchen!
Nun ist schon Heiliger Abend. Der erste Heilige Abend in unserer Ehe. Nach Gottes Fügung müssen wir ihn getrennt verbringen wie so viele Millionen anderer Menschen auf der ganzen Welt, die in diesen Weltkrieg hineingezogen worden sind. Aber in Gedanken, liebes Mädchen, bin ich ganz bei Dir. Ganz und gar. Ich umarme Dich. Ich setze Dich auf meinen Schoß – so als kleines Dessertchen. Ich spiele mit Dir. Ich scherze mit Dir wegen Deiner Leibesfülle. Wir singen zusammen „Stille Nacht, heilige Nacht“ und „Oh, du fröhliche“. Überhaupt, wir tun, als ob es außer Weihnachten nichts auf der Welt gibt. Ist das nicht schön so! Gar nicht romantisch, unwirklich und doch wirklich.
Jetzt ist es gerade sechs Uhr. Die Stunde der Hoffnung. Was soll ich Dir heute schenken. Hier gab`s nichts Vernünftiges – außer einem Beil, das ich gekauft habe. Aber ich weiß, was ich Dir schenke. Meine Liebe. Sie soll Dich ganz und immer umfassen. Und gebe Gott, daß es in einer langen und glücklichen Ehe gutgehe.
Aus den Kasernenstuben klingt Radio – Weihnachtsmusik herüber. Ich freue mich. Trotz allem. Nachher will ich mit einem Kameraden eine der zwei Flaschen französischen Rotwein köpfen und dabei Dein Gebäck knuspern. Gestern hatten wir Kompagnieweihnachtsfeier. Sie war überraschend schön. Ein gemütlicher und sorgfältig geschmückter Saal nahm uns auf. Eine Kapelle von 6 Mann spielte. Zunächst wurden einige Weihnachtslieder gesungen. Dann gab`s ein reichliches und sehr gutes Abendessen. Bei jedem Platz – durch Tischkarten verteilt – standen die Gaben. Sie waren sehr reichlich. Jeder bekam eine Flasche französischen Rotwein, ein gutes Buch, eine große Schachtel_, dazu einen großen und voll gefüllten Teller mit sehr schmackhaften Pfefferkuchen, ein Stück Schokolade, dann noch verschiedene weitere Kleinigkeiten, wie zum Beispiel Rasierapparat, Rasierklingen etc. Jeder konnte voll und ganz zufrieden sein! Anschließend kam St. Nikolaus mit kleinen Geschenken und Nüssen für die einzelnen. Danach war Preisverteilung für das Preisschießen. Nur Lärm und Staunen! Ich habe den zweiten Preis erhalten! Den ersten Preis hatte der Leutnant und Kompanieführer – wie sich das auch so gehört. Als Preis erhielt ich ein Relief eines Soldatenkopfes mit Inschrift.
…
Als ich auf mein Zimmer kam, war Deine Kiste aus Senden da. Welche Freude!
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Wie die Weihnachtstage im einzelnen verlaufen sind, werde ich Dir schreiben. Mit herzlichen Grüßen an Mama und Papa, besonders aber an Dich – mit den dazugehörigen Küssen.
Dein Walter