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Theresia & Gottfried

In gedrechseltem Kanzleideutsch wirbt der 27jährige Ratsschreiber Gottfried aus dem Raum Pforzheim um Theresia,  eine Landwirtstochter .

Dietlingen, den 19. August 1908

Werte Theres!
Entschuldige wenn ich mir erlaube folgende Zeilen an Dich zu richten.
Wie Du wahrscheinlich wissen wirst, bin ich seit August vergangenen Jahres in hiesiger Gemeinde als Ratsschreiber auf unbestimmte Zeit angestellt. Damit habe ich eine Existenz gefunden und darf wohl sagen, daß ich mit meinem Einkommen den Unterhalt einer Familie gut bestreiten und noch etwas hinterlegen kann. Auch bin ich nunmehr 27 ½ Jahre alt und glaube nicht unklug zu handeln, wenn ich mich nach einem Mädchen umsehe, welches gewillt ist, seine Lebenszeit mit mir zu teilen. Zu diesem Zwecke frage ich hiermit bei Dir an, da Du ja auch schon 24 Jahre alt sein wirst, ob Du nicht geneigt wärest, mit mir in nähere Beziehung zu treten.
Du kennst ja meine Familie und brauche Dir deshalb meine Verhältnisse nicht weiter zu schildern. Du wirst auch wissen, daß ich keinen leichtsinnigen Lebenswandel geführt habe, da mir sonst unter 14 Bewerbern der Ratsschreiberdienst in hiesiger Gemeinde nicht übertragen worden wäre.
Teile mir Deine Absicht mit, eventuell kannst ja auch Deine Eltern davon verständigen. Du bist mir von jemand, dessen Namen ich noch nicht nennen will, angeraten worden, weshalb ich mir getraute, dieses Schreiben an Dich abgehen zu lassen. Auch hab ich selber Dich schon von je her gern und wirst mich daher sehr beglücken, wenn Du meine Anfrage mit „Ja“ zu beantworten Dich entschließest.
Mein Einkommen berechnet sich auf jährlich etwa 2.500M.Ferner beziehe ich noch 260M Rente und Zinsen aus annähernd 5.000 M. , welches ich mir schon als Ratsschreiber erspart habe. Dann bekomme ich noch Pachtzins aus meinen Grundstücken.
Mein Vermögen beläuft sich also auf 7.000 – 8.000M., den Anteil an unserem Haus nicht mitgerechnet.
Wenn Du vor Deinem Entschluß noch sonst wie über irgend etwas Auskunft wünschst, so frage nur ungeniert an.
Eine mir wohlwollende und bejahende Antwort entgegensehend,
grüßt Dich hochschätzend
Gottfried N.
Ratsschreiber in Dietlingen bei Pforzheim.

Teres nimmt den Antrag an. Im Mai 1910 findet die Hochzeit statt.

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