Eine Geschichte der Tagebuchforschung
In ihrer Studie Forschungsfelder und Sammlungen seit 1800 betont die Autorin Li Gerhalter die wechselseitige Beziehung: Immer neue Quellen in den Archiven ermöglichen auch immer neue wissenschaftliche Fragestellungen. Die daraus resultierenden Publikationen können Menschen wiederum auf die Idee bringen, weitere Aufzeichnungen in autobiografische Sammlungen zu geben. Was diese Menschen zur Verfügung stellen, kann beforscht werden – alles andere nicht. Gerhalter versteht das als Beitrag zu einer Citizen Science, also zu einer Bürgerforschung. Selbstzeugnisse als Quellen in neuen Wissenschaftsdisziplinen Im Mittelpunkt von Gerhalters Studie stehen die Tagebücher von Personen, die „nicht in einer prominenten Öffentlichkeit standen“. Wie sind diese bisher beforscht worden? Und zu welchem Zweck? Die Spuren früherer Tagebuchforschung führen Li Gerhalter zurück bis in das späte 18. Jahrhundert. Seit damals wurden Selbstzeugnisse in der Pädagogik ausgewertet, ab dem frühen 20. Jahrhundert dann auch in der Sprachwissenschaft und der Psychologie. In der Pädagogik wurden Notizen erschlossen, die bürgerliche Eltern über ihre kleinen Kinder geführt haben, in der Psychologie Tagebücher von bürgerlichen Jugendlichen. Der Grund für das völlige Verschwinden der deutschsprachigen Tagebuchforschung war die Vertreibung ihrer …