Alle Artikel mit dem Schlagwort: Buch

Eine Außenansicht

„Was bedeutet es, nach Hitler Deutscher zu sein?“ Dieser Frage geht der am Birkbeck College in London lehrende deutsch-britische Historiker Frank Trentmann in seinem 1000-seitigen, in Deutschland, Großbritannien und den USA neu erschienenen Buch Aufbruch des Gewissens nach. Vom Tagebuch zum Zeitzeugnis Mehrmals hat der Historiker dafür das Deutsche Tagebucharchiv besucht, denn er untersucht für seine großangelegte historische Forschung nicht nur Flugblätter, Gesetztestexte, Umfragen, Predigten, Theaterstücke, Filme und vieles mehr, sondern auch Tagebücher.  16 Dokumente aus dem DTA-Bestand fließen in seine Untersuchung ein. Darunter sind zum Beispiel die Briefe an einen vermissten Sohn des Waiblinger Arztes Hugo Manz (DTA 2176), dessen Sohn 1943 in Russland als Jagdflieger abgeschossen wurde und dessen weiteres Schicksal unbekannt blieb. Um mit der Ungewissheit umgehen zu können und das Kriegsgeschehen nachzuvollziehen, schrieb der Vater bis 1971 Briefe an den vermissten Sohn. Auch Tagebücher aus einem Forschungsprojekt der Universität Potsdam, in denen DDR-Bürgerinnen ihre Erfahrung mit der Wendezeit festhalten sind in das Buch einbezogen worden (DTA 1533). Stalingrad als moralischer Wendepunkt: Die Neuausrichtung der deutschen Moral Frank Trentmann setzt den moralischen …

das Bild auf dem Buchdeckel zeigt eine Frau, die einen Brief an sich drückt

Eine Feldpostgeschichte

In unserem Neuigkeitenbrief 3/2019 schrieben wir: „Die Bestsellerautorin Mechtild Borrmann („Trümmerkind“, „Der Geiger“) las eine Woche lang Alltagsschilderungen von Privatpersonen zum Leben in Kassel von 1933 bis 1950 … . Für ein neues Romanprojekt möchte sie mit Hilfe der Stimmungen in diesen Texten dem Ton der Zeit und des Ortes näherkommen.“ Nun liegt ihr neues Buch „Feldpost“ in den Buchhandlungen aus und der Hessische Rundfunk veröffentlichte ein Gespräch mit der Autorin , auch über ihre Recherchen im DTA.

Eine Militärgeschichte

Sönke Neitzel, Lehrstuhlinhaber für Militärgeschichte / Kulturgeschichte der Gewalt am Historischen Institut der Universität Potsdam, geht in seinem Buch Alltagsrealität, Wertvorstellungen und Motivation in der soldatischen Lebenswelt auf den Grund. Er beleuchtet Kontinuitäten und Unterschiede in der Innensicht des Militärs vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik. Für seine Forschung recherchierte er auch im DTA und bezog verschiedene Dokumente ein.

Aus der Innensicht

Der Autor Daniel Führer entwickelt in seinem Buch ein facettenreiches Kaleidoskop der spannungsreichen Periode zwischen Erstem Weltkrieg und nationalsozialistischem Deutschland. Viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens werden anhand von Tagebucheinträgen analysiert, so Gewalt im Krieg, Putsche, Arbeits- und Freizeitleben, Geschlechterrollen, Intimität oder Abgründe in Paarbeziehungen und Familie. Vier der sechs dafür in den Blick genommenen Tagebücher befinden sich in der DTA-Sammlung.

Broken Lives

Für sein Buch „Broken Lives. How ordinary Germans experienced the Twentieth Century“ forschte der deutsch-amerikanische Historiker Konrad Jarausch, der in Berlin und Chapel Hill (North Carolina) lebt und lehrt, bereits 2015 im DTA. Ausschließlich Lebenserinnerungen von in der Zeit der Weimarer Republik Geborenen waren es, die ihn für seine „kollektive Biographie “ der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts interessierten. Die deutsche Fassung trägt den Titel „Zerrissene Leben. Das Jahrhundert unserer Mütter und Väter“ und erschien 2018 im wbg Theiss Verlag, Darmstadt. Als Resultat seiner DTA-Recherche entschied er sich für zwölf Autoren aus dem DTA-Bestand, deren „gebrochene oder zerrissene Leben“ er in sein Buch einfließen ließ.

Selbstreflexionen und Weltdeutungen

Die Historikerin Hanne Lessau widmet dem Deutschen Tagebucharchiv längere Passagen in dem 2015 im Wallstein-Verlag erschienenen Sammelband mit dem etwas sperrigen Titel „Selbstreflexionen und Weltdeutungen — Tagebücher in der Geschichte und der Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts„. Nicht nur die Herausgeber Janosch Steuwer (Universität Bochum) und Rüdiger Graf (Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam) wurden bei häufigen Besuchen im DTA fündig. Zahlreiche weitere Aufsätze lassen die Bedeutung des Tagebuchs als zeithistorische Quelle exemplarisch deutlich werden.